Die Zinsen steigen wieder: Bei ihrer Sitzung in Amsterdam hat sich der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) darauf geeinigt, den Leitzins im Juli von derzeit null Prozent auf 0,25 Prozent anzuheben. Es ist die erste Zinserhöhung seit elf Jahren.
Die EZB reagiert damit auf die deutlich gestiegenen Lebensmittel- und Energiepreise und die daraus resultierende anhaltende Inflation.
Wir erläutern, was das für Sparer, Anleger und Häuslebauer bedeutet:
Was hat die EZB entschieden?
Ab dem 1. Juli wird die EZB keine frischen Milliarden mehr in den Kauf von Staatsanleihen und Wertpapieren von Unternehmen stecken.
Zudem will die EZB im Juli ihre Leitzinsen um jeweils 25 Basispunkte heben. Das beschloss der EZB-Rat bei seiner auswärtigen Sitzung in Amsterdam. Zunächst bleibt der Leitzins aber auf dem Rekordtief von null Prozent. Mindestens bis September 2022 müssen Banken für geparkte Gelder bei der EZB außerdem noch Negativzinsen von 0,5 Prozent zahlen. Weitere Zinsanhebungen werden im September 2022 erwartet.
Was bedeutet das für die Inflation?
Zunächst wohl wenig. Allerdings besteht die Hoffnung, dass durch das Ende der Anleihekäufe die Inflation zu sinken beginnt. Um das zu begreifen, muss man den Mechanismus hinter den Anleihekäufen verstehen.
Die EZB kann über die Käufe die Geldmenge in der Eurozone regeln. Sie bestimmt also, wie viel Geld im Umlauf ist. Sinkt die Geldmenge, ist jeder einzelne Euro mehr wert, die Preise fallen. So zumindest die Theorie.
Bislang war es so, dass die EZB den Geschäftsbanken Anleihen abkauft. Die Idee: Verleihen die Geschäftsbanken das so gewonnene Geld weiter, etwa an Firmen oder an Verbraucher, tritt es in den Wirtschaftskreislauf ein, die Preise steigen, die Konjunktur wird gestützt. Kappt die EZB umgekehrt jetzt den Strom günstigen Geldes, schafft sie nicht länger Geld "aus dem Nichts". In der Folge sollen die Preise fallen.
EZB-Entscheid mit Signalwirkung
Vor allem aber gilt das Ende der Anleihekäufe als notwendiger Schritt, bevor die Notenbank die Zinsen anheben kann. Der EZB-Entscheid hat daher auch eine klare Signalwirkung an die Marktteilnehmer, Investoren und Banken. Die EZB möchte zeigen, dass sie die Inflation ernst nimmt.
Denn: Höhere Zinsen machen das Geld teurer, Kredite kosten mehr und werden dadurch weniger attraktiv. Auch auf diese Weise soll die umlaufende Geldmenge sinken, die Preise nicht mehr so schnell steigen.
Doch für die Zentralbank ist es ein schwieriger Spagat: Hebt sie die Zinsen zu schnell und stark an, nimmt sie zu schnell Geld aus dem Markt, könnte das der Konjunktur einen schweren Schlag versetzen.
Was bedeutet das für Sparer?
Sparer können sich auf steigende Zinsen einstellen. Richtig sichtbar werden dürfte der Anstieg aber erst im September 2022, wenn die EZB den sogenannten Einlagezins anhebt.
Zuvor will die EZB im Juli zunächst den sogenannten Leitzins erhöhen. Das ist der Zinssatz, zu dem sich die Geschäftsbanken Geld bei der EZB leihen können. Hebt die Notenbank ihn an, werden Kredite teurer.
Schlechte Nachrichten für Anleger?
Für Anleger sind die höheren Zinsen derweil keine gute Nachricht. Denn sollten andere Anlageklassen mittelfristig attraktiver werden, dürften die Kurse an der Börse sinken, weil weniger Menschen Aktien kaufen.
Allerdings ist fraglich, wie deutlich die Auswirkungen des EZB-Zinsentscheids tatsächlich sein werden. Aktuell spielen noch andere Entwicklungen eine Rolle an der Börse, allen voran die Frage nach einer Rezession.
Steigen nun die Bauzinsen?
Davon ist auszugehen. Die Bauzinsen waren zuletzt bereits deutlich gestiegen, im März hatte es den größten Anstieg seit 1992 gegeben. Bereits die erwartete EZB-Entscheidung hatte zu weiteren Preisanstiegen geführt.
Die Bauzinsen orientieren sich an den Renditen der Bundesanleihen. Diese wiederum hängen mit dem Zinsniveau in der Eurozone zusammen, das maßgeblich von der EZB beeinflusst wird. Hebt die EZB den Leitzins an, müssen auch die Geschäftsbanken mehr für einen Kredit zahlen. Diese Kosten reichen sie über die Zinsen an ihre Kreditkunden weiter.
Allerdings gibt die Entscheidung auch eine Richtung vor und schafft somit Sicherheiten. Experten hatten die bisherigen Anstiege der Bauzinsen in Teilen auch mit Planungsunsicherheit begründet.
Quellen: FLZ, Handelsblatt, t-online